Es ist Sommer, 4:32h morgens in Vegas. Ein Freund und ich kommen aus einem Club und setzen uns für einen kleinen Happen in ein Diner als uns zwei „Hotte Ma’s“ (=attraktive Mütter) anquatschen. Die Attraktivere von beiden hatte definitiv zu viele Cocktails. Natürlich will sie als erstes wissen, was wir machen.

„Du bist Date Doktor?!“ kommentiert sie entzückt. „Hast Du ‚50 Shades of Grey‚ gelesen?“

Ich verneine.

„Du musst 50 Shades of Grey lesen!“ – dabei gibt sie mir diesen intensiven Blick. Ich weiß nicht ob wegen des Alkohols oder weil das Buch so toll sein soll. Sie denkt kurz nach, verdreht dann die Augen „Ich wünschte, mein Mann würde 50 Shades of Grey lesen…“ Bei dem Gedanken bleibt sie kurz hängen und schaut verdrossen. Offensichtlich ist sie mit ihrem Mann unzufrieden. Ich verkneife mir einen Kommentar. Ich bin schließlich zum Urlaub da.

„Und warum?“ will ich wissen.

„Weil dieses Buch einem Mann zeigt, was wir Frauen uns eigentlich wünschen.“

„Und im Detail?“ hake ich nach.

Ich hätte gar nicht fragen brauchen. Nach einem weiteren Bissen Pizza fährt sie bereitwillig fort. „Es sagt einem Mann, wie er mit einer Frau im Bett umgehen soll. Und worauf wir Frauen wirklich stehen.“ Ich bin neugierig, aber noch skeptisch. Ich bekomme ständig Bücher als Coach empfohlen, doch ich merke mir ’50 Shades of Grey‘. Sechs Monate und viele Shades of Grey-Empfehlungen später, entschließe ich mich dann doch die Lektüre zum Weihnachtsurlaub zu testen. Was hat dieses Buch, das es so besonders macht? Enthält es wirklich so tolle und wertvolle Tipps für Männer? Wenn alles schief läuft, enthält es wenigstens gute Sexszenen, sagte die Amerikanerin. Ich beginne zu lesen.

Was E. L. James da geschrieben hat, ist nichts bahnbrechendes, sondern eine moderne, versaute Variante des alten „Pretty Woman“-Märchens. Eine Studentin, Anastasia Steele, verliebt sich in den unnahbaren, meeeeega erfolgreichen und jungen extreeeeem gut aussehenden Milliardär Christian Grey. Dieser Christian Grey hat, so kann es die Autorin James gar nicht oft genug erwähnen, unglaublich heiße, lange Finger. Mir fröstelt. Danke, Miss James, Sie haben also einen Fetisch für sehr lange Männerfinger. Puuuh, wollte ich das wissen?!

Der große Unterschied von Shades of Grey zu Pretty Woman ist, dass Anastasia Steele keine Prostituierte ist und Christian Grey auf kontrollierte Gewalt im Bett, also BDSM, steht.

BDSM ist eine sehr facettenreiche Welt, für viele nicht nach vollziehbar und dreht sich um die Themen Bondage, Dominanz, Disziplinierung, Unterwerfung, Sadismus und Masochismus im Zusammenhang mit Sex. In Shades of Grey könnte man BDSM durch Sex mit Fesselspielchen und kräftig den Arsch versohlen zusammenfassen. Dabei ist der superreiche, langfingrige Christian Grey der Master, auch Dom genannt. Er will die arme kleine, jungfräuliche Studentin Anastasia Steele, die wirklich bei jeder erdenklichen Szene auf ihrer Unterlippe kaut und tomatenrot wird, zu seiner Sklavin, also seinem Sexspielzeug, machen.

Das ist natürlich unerhört, und geht gar nicht! Anastasia, die abwechselnd selbstbewusst, dann unterwürfig ist, je nach dem was gerade besser in die Szene passt, will nur seine wahre Liebe, die sie schlussendlich auch bekommt. Ich erwähnte bereits die Parallelen zum „Pretty Woman“-Märchen.

Dieses Hin- und Hergerissensein der zunächst noch jungfräulichen Anastasia zwischen normalem Leben und dem verruchten Sex- und Jet-Set-Leben des ultrareichen Christian Grey scheint Millionen Leserinnen zu bannen. Ich dagegen quäle mich durch die Seiten und freue mich über diverse Ablenkungen des familiären Weihnachtslebens. Aber ich will Shades of Grey noch nicht aufgeben. Irgendwann müssen die Wunder und Weihen kommen, weshalb die betrunkene Amerikanerin dieses Buch am liebsten zur Pflichtlektüre ihres Mannes machen wollte. Der arme Kerl. Wüsste er nur, dass sie den seltenen Damentraum hegt, von einem attraktiven Superreichen abwechselnd harte Orgasmen und teure Geschenke zu bekommen.

Aber bringen wir diese Rezension zum Ende. Es sind ja noch drei Fragen offen. Die nach potentiellen sexuellen Erleuchtungen, die nach Christian Grey’s Vorbildfunktion für uns Männer und die danach, wieviel Geld E.L. James von Audi und Apple für fast schon belästigend viel Product-Placements in den Büchern erhalten hat.

Da ich letztere nur schätzen kann, kommen wir zum Sex. Es wird viel davon geschrieben, aber das meiste ist leider sehr fantastisch, sprich unrealistisch. Dabei meine ich nicht die Art oder den Ort, sondern eher mit welcher Leichtigkeit und Präzision die unterlippenkauende Anastasia ständig Orgasmen bekommt. Das passiert genau dann, wenn Christian Grey ihr etwas sagt wie „Lass los.“ Dann nämlich zerspringt sie sofort innerlich in 1000 Teile. Tja, wäre das in Realität nur so einfach. Es gäbe 1000% mehr glückliche Pärchen und ich hätte als Beziehungscoach nichts mehr zu tun.

Zum Vorbild Christian Grey. So wie er beschrieben wird, ist er im Inneren sehr unsicher, ja, sogar labil und außerdem noch widersprüchlicher als es schon normale Männer sind. Dass er zu Beginn die Hosen anhat, verfliegt schnell. Ein Vorbild sehe ich darin in jedem Fall nicht. Und dass wir Männer, würden wir über Milliarden verfügen, unsere Frauen mit Luxus überhäufen würden ist für mich selbstverständlich und kein Vorbild.

Mein Fazit: Ihr könnt Euch die Lektüre dieses Buches schenken.

Als Date Doktor finde ich es zwar interessant und gekonnt, wie E.L. James den Leser scheibchenweise über die Rand-Sex-Variante BDSM aufklärt, aber tiefere Lektionen bietet dieser Schmalzschinken nicht. Vergeblich suche ich nach dem Grund, warum die Amerikanerin wollte, dass ihr Mann dieses Buch liest. Und warum musste sie ausgerechnet uns davon erzählen?

Wie ging es Euch mit diesem Buch? Falls Dich noch weitere Details von Shades of Grey oder seinen Fortsetzungen interessieren, sag mir Bescheid.

Allen ein unterhaltsames Wochenende,

Euer Date Doktor Emanuel

P.S.: Danke für die Facebook-Kommentare! Ja, ich muss hier noch ein paar Anmerkungen machen, denn an folgende weitere Formulierungen sollte man sich während der Buchlektüre schnell gewöhnen: „Postkoitale Haare“ und „Anastasias sich zusammenziehender Unterleib“!