Emanuel Albert [Beziehungscoach, Autor & Ex-Zurück Experte]
Was ist Narzissmus, woher kommt Narzissmus und wie wirkt sich Narzissmus in Beziehungen aus?
Genau diese Punkte und Weitere nehmen wir heute gemeinsam ins Visier.
Key takeaways
+ Narzissmus ist keine international anerkannte Krankheit
+ Narzissmus reicht bis in die Zwanziger Jahre zurück
+ Jeder Mensch wird ein Stück weit als Narzisst geboren
+ Die folgenden psychologischen Punkte helfen dir besser mit Narzissmus umzugehen
Inhalt
Was ist Narzissmus?
Ganz einfach gesagt, beschreibt Narzissmus ein toxisches Persönlichkeitsmerkmal, dass den Betroffenen und seiner Umwelt oft zur Last wird.
Die Schäden können sich
- auf Beziehungen,
- Gesundheit,
- Arbeit
und Familie ausweiten.
Klingt heftig und ist heftig.
Daher ist die folgende Frage nur verständlich:
Ist Narzissmus eine anerkannte Krankheit?
International betrachtet nein, da folgende Headline die Runde macht:
Psychologen sind sich einig – Narzisstische Persönlichkeitsstörung fliegt aus dem ICD-10
Narzissmus, was bedeutet das? – Neueste Erkenntnisse zur narzisstischen Persönlichkeitsstörung 2022
Bis zum 01.01.2022 galt der ICD-10 als der Standard, nachdem Diagnosen in Deutschland erstellt wurden.
Du hörst raus, dass wir hier von der Vergangenheit sprechen. Denn ab jetzt gilt der ICD-11. Und genau in dem kommt die narzisstische Persönlichkeitsstörung nicht mehr vor.
Warte! Heißt, dass jetzt – Narzissmus ist gar nicht so schlimm oder gar, dass es Narzissmus gar nicht gibt?
Bevor du dir an diesen Fragen den Kopf zerbrichst, kommt hier eine gute Nachricht: Mein Team und ich waren fleißige Bienchen und werden dir in diesem Artikel alles verraten, was du über Narzissmus wissen musst, um up-to-date zu sein.
Wichtig: Die Begriffe Narzissmus und Narzisst sind heutzutage super gehypt. Gerne werden sie leichtfertig als Synonyme verwendet. Oftmals an den falschen Stellen. Daher schaffen wir Klarheit und schauen, wie es zu dieser Entwicklung kam.
Wann wurde der Narzissmus entdeckt?
Seinen Ursprung findet der Narzissmus in der Philosophie und der Psychologie der frühen zwanziger Jahre.
Wer hat den Narzissmus entdeckt?
Schöpfer hinter den Begriffen “Narzissmus” oder “Narzisst” gilt kein anderer als Wegbereiter der Psychoanalyse – Sigmund Freud.
Wie sah Sigmund Freud den Narzissmus?
Sigmund Freud sah den Narzissmus als Ausdruck seelischer unbewussten Konflikten, die früh in der Kindheit entstanden sind.
Als Narzissten wurden zunächst Personen betitelt, die Schwierigkeiten in sozialen Kontakten hatten. Auch Begriffe wie “Selbstverliebt”, “Selbstsucht” und “Rücksichtslosigkeit” wurden damals schon mit Narzissmus in Verbindung gebracht.
Doch Narzissten sind nicht per se schlechte Menschen. Oftmals sind ihnen ihre Eigenarten gar nicht wirklich bewusst. Wie ein gewaltiger Eisberg schlummern sie unter Wasser und geben nur den Blick auf die Spitze frei.
Bleib dran und ich verrate dir, warum Narzissmus auch dich betrifft und wann aus schlechten Gewohnheiten eine psychische Belastung für dich und andere wird.
Wie entsteht Narzissmus? – Narzissmus als Persönlichkeitseigenschaft?
Diese Frage stellten sich Jahre nach Freud Experten aus dem Fachbereich der Persönlichkeitspsychologie. Gesucht waren Antworten darauf, wie Narzissmus zustande kommt und ob jeder von uns ein Narzisst werden kann.
Letztendlich kam es zur Enthüllung einer grausamen Erkenntnis:
Jeder Mensch wird als Narzisst geboren …
Schon okay. Nimm dir einen Moment, um das erst mal zu verarbeiten.
Ich weiß, ich weiß. Du und Narzisst?
Das passt doch vorn und hinten nicht. Dachte ich auch, doch sieht die Wahrheit etwas anders auch.
Wieso Narzissmus in jedem von uns steckt
In Wahrheit sind oder waren wir alle nicht so unschuldig. Uns wurde der Narzissmus sozusagen in die Wiege gelegt.
Babys wissen genau, dass ihr Überleben davon abhängt, relativ schnell und relativ auffällig auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen.
Ich habe hunger, ich brauche neue Windeln, ich bin müde, ich habe Schmerzen und ich brauche eine Lösung! Sofort!
Kein wirklich fürsorgliches Mindset mit Blick auf das Kollektiv.
Babys sind also verdammte Egoisten und damit eben auch ein Stück narzisstisch.
Warte mal! Wie kommt es dann, dass wir nicht alle eine endlose Ego-Tour fahren?
Netter Gedanke, aber die richtige Frage lautet:
Wie entwickelt sich Narzissmus auf gesunde Weise im Laufe eines Lebens?
Soziale Normen und Erziehung zügeln den Narzissmus in uns.
Uns wird soziale Kompetenz im Umgang mit anderen erst Schritt für Schritt beigebracht. Und langsam, aber sicher lernen wir, dass sich doch nicht alles nur um uns dreht. Schade …
So machen wir alle letztendlich die lange Reise vom Hardcore Narzissten zum erträglichen sozialen Gesellen, da …
Wir alle den Narzissmus in unserer DNA haben.
Ganz ausgetrieben wird uns der Narzissmus nicht und das ist auch gut so!
Was meine ich damit?
Mit dem Narzissmus ist es wie auf einem Seilakt. Die richtige Balance ist entscheidend!
Auf der einen Seite hätten wir den extremen Narzissmus. Hier dreht sich alles nur mich! Auf der anderen Seite wartet auf uns die vollkommene Selbstaufgabe.
In der goldenen Mitte ist Narzissmus eine “gesunde” Persönlichkeitseigenschaft.
Narzissmus hilft dir dann:
- deine Interessen zu wahren und zu verteidigen
- Grenzen zu setzen und auch mal “Nein” zu sagen
- deine Bedürfnisse zu erkennen und zu versorgen
- dich und deine nahestehenden Personen vor anderen zu priorisieren, wenn Ressourcen knapp werden
Viele Vorteile, doch wann geschieht der Schwenk ins Negative. In anderen Worten …
Wann wird Narzissmus pathologisch, also krankhaft?
Zur Störung wird Narzissmus erst, wenn diese Persönlichkeitseigenschaft alle anderen Eigenschaften überschatten. Und wenn dein Umfeld oder du selbst unter deinen Verhaltensweisen leidet.
Nur ist nicht jedes schlechte Verhalten Narzissmus zuzuschreiben. Also, stellt sich die folgende Frage:
Woran erkenne ich einen Narzissten?
Die Frage ist wohl berechtigt. Denn keinem steht es auf der Stirn geschrieben und eine einheitliche Definition gibt es auch nicht. Doch was es gibt, sind einige Merkmale, die Narzissten gemein haben.
Narzissten sind Menschen, die …
- Sich gern und schnell ins Spotlight stellen, was auch dank der charismatischen Wirkung oft gelingt
- Nicht zu toppen sind in ihrer Präsenz und Herrlichkeit. So der eigene Eindruck
- Süchtig nach Lob und Anerkennung sind
- Gern dick auftragen und es in die Welt posaunen
- Auch relativ gefühllos mit anderen umspringen. Besonders, wenn diese einem sehr nahestehen
- Beziehungen pflegen, wenn ein Nutzen ersichtlich ist (Geld, Macht oder Einfluss)
- Kleine Kränkungen als Grund zur Kontaktsperre ansehen
- Andere verbal kleinreden
- Sich selbst als Opfer und benachteiligten Menschen sehen
- Bei Misserfolgen die komplette Orientierung verlieren
- Sehr Ich-zentriert sind und schnell in den Angriff gehen, wenn ihre Person nicht ernst genommen wird
Puh, ganz schön kompliziert, so ein Leben als Narzisst. Und es kommt noch doller:
Narzissmus breitet sich aus.
So die steigende Zahl an Fällen, in denen eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wird.
Und so gern viele beim Narzissmus stereotypisch einen Mann sehen, sind auch oft Frauen betroffen. Ihr lest ganz richtig, Ladys.
Doch zurück zum Hier und Jetzt und einer ganz interessanten Frage …
Wodurch wird man heute zum Narzissten?
Die Wissenschaftler rätseln über die eine Frage –
Fördert unsere heutige Gesellschaft den Narzissmus?
Keine leichte Frage. Und wenn wir uns mal an die eigene Nase fassen und reinen Wein einschenken, fallen da schon einige Dinge auf:
- Was machst du beruflich?
- Was für ein Auto fährst du?
- Wie oft machst du Sport. Sei ehrlich?
- Wie viele Likes hast du?
- Wie viele Follower hast du?
So die ersten Fragen beim Kennenlernen.
Hallo? Wir reden hier vom Kennenlernen. Bevor die Rechnung gekommen ist, weiß man mehr von der gegenübersitzenden Person als von seinen eigenen Nachbarn.
Und neulich erst kam eine alte Bekannte auf mich zu und meinte, dass in ihrem Job explizit nach ihrer Social Media Präsenz gefragt wurde.
Du siehst selbst, wir sind nicht nur transparenter, sondern angestachelt uns so gut wie nur möglich zu präsentieren.
Jeder, einfach jeder, ist mehr mit sich und seinem Image beschäftigt. Wie fleißige PR-Manager wird gefeilt und geschraubt, wo es nur geht. Und mit welchem Ergebnis?
Wie häufig kommt Narzissmus vor?
0,4 % bis 1 % der Bevölkerung leidet an Narzissmus bzw. der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. So die Ergebnisse einer in Deutschland durchgeführten Studie.
Das mag jetzt nicht allzu dramatisch klingen, aber mit Blick auf unsere aktuelle Bevölkerungszahl macht das über 300.000 Betroffene. Im schlimmsten Fall sogar über 8.000.000 Betroffene.
Warte! Psychologen meinen doch es gibt keine Narzissten?
Gut aufgepasst! Auch wenn die narzisstische Persönlichkeitsstörung aus dem ICD-11 ausgeschlossen wurde, ist eins nicht von der Hand zu weisen …
Narzissmus ist real und es schadet Menschen.
So werden die Behandlungen auch weiterhin fortgesetzt. Logischerweise werden nun die Behandlungsansätze für Psychologen und Psychotherapeuten komplizierter. Infolgedessen werden Fälle jetzt individueller betrachtet. Und Jupp, das kostet weit … weit … weitaus mehr Zeit.
Fazit & deine nächsten Schritte
Wenn dir dieser Ausflug in die verworrene Welt der Narzissten eines näherbringen sollte, dann wäre es die folgende Erkenntnis:
Narzissmus bleibt eine ernstzunehmende Belastung für die Betroffenen und ihre Partner.
Und oft finden beide nicht allein raus aus ihrem Gefühlschaos.
Genau aus diesem Grund lohnt es sich, mit einem professionellen Coach das Liebesglück sorgfältig und geplant anzugehen. Mein Team und ich merken immer wieder in jeder Session, wie wenig Spielraum für Fehler in einer so angespannten Beziehung ist.
Daher legen wir einen großen Wert darauf, dir und deinen Partner Methoden, Denkanstöße und Techniken an die Hand zu geben, die sich bereits langjährig erprobt und bewiesen haben.
Solltest du oder deine Freundin oder Freund in einer solchen Beziehung stecken, dann tu jetzt das Richtige und lass uns die Sache gemeinsam angehen.
Falls du dir noch unsicher bist, ob dein Partner oder du in einer toxischen Beziehung stecken, empfehle ich dir diesen Artikel:
Bist du in einer toxischen Beziehung? – Mache den Test
Hier findest du die neuesten Updates zu Themen wie Narzissmus.
Weitere spannende Artikel folgen noch. Dranbleiben lohnt sich!
Alles Gute, dein Date Doktor Emanuel
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Quellen
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Back MD, Schmukle SC (2010). Why Are Narcissists so Charming at First Sight? Decoding the Narcissism–Popularity Link at Zero Acquaintance. Journal of Personality and Social Psychology, 98 (1): 132–145.
Wardetzki, B. (2015). Blender im Job: Vom klugen Umgang mit narzisstischen Chefs, Kollegen und Mitarbeitern. Scorpio Verlag.
Lempart, H. (2015). Ich habe es doch nur gut gemeint: Die narzisstische Kränkung in Coaching und Beratung. Junfermann Verlag GmbH.
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