Emanuel Albert wurde als Date Doktor und Experte für Beziehungsprobleme und Trennungen zu seinen persönlichen Erfahrung mit Betroffenen von Ghosting interviewt.

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Wird jemand ‚geghostet’, bedeutet dies, dass ihm jegliche Möglichkeit genommen wird, auf eine Trennung zu reagieren, oder sich über die Gründe des Scheiterns auszutauschen. Wie geht es den Betroffenen Ihrer Erfahrung nach üblicherweise?
Inwiefern, würden Sie sagen, unterscheidet sich Ghosting von einer Trennung auf herkömmliche Art und Weise?

Eine Trennung ist fast immer unangenehm. Auch, wenn mit jemanden auf herkömmliche Art und Weise Schluss gemacht wird, ist es häufig so, dass dieser sich im Nachhinein viele Gedanken über die Gründe für die Trennung macht, diese zum Teil auch erst einmal nicht versteht und oft nochmals um ein Gespräch bittet. Diese Möglichkeit hat der Geghostete aber natürlich nicht. Obwohl es ihm ähnlich ergehen wird, leidet er noch einmal besonders darunter, dass es kein klares Ende gab, das es den Verlassenen normalerweise leichter macht, die Trennung zu verdauen.

Dadurch nimmt der Trennungsprozess im Fall von Ghosting einen ganz anderen Verlauf. Der Verlassene hofft häufig noch lange Zeit, dass es noch weitergeht. Die Menschen, die sich an mich wenden, berichten dann oftmals nicht, dass gerade mit ihnen Schluss gemacht wurde, sondern dass sie gerne ihre Beziehung retten würden, die gerade nicht sehr gut läuft. Tatsächlich gab es aber dann oft bereits zwei bis drei Wochen lang keinen Kontakt mehr, was natürlich Zeiträume sind, bei denen objektiv betrachtet klar ist, dass etwas nicht stimmt. Es gibt sogar auch noch viel schlimmere Fälle, bei denen die Betroffenen seit Monaten keinen Kontakt mehr zum Ghost hatten, aber sich gedanklich immer noch an die Tatsache klammern, dass dieser nie richtig Schluss gemacht hat. In diesem Moment reagiert das Gehirn völlig irrational, sucht nach anderen Gründen, warum der Ghost sich so lange nicht gemeldet hat und hofft, dass er sich eigentlich noch gar nicht getrennt hat. Ich spüre dann förmlich, dass diese Person auch gar nicht hören möchte, dass die Beziehung vorbei ist und lieber so tun möchte, als ob es eine Krise oder schlechte Phase wäre. Das heißt, der Verlassene neigt auch dazu, sich das schönzureden.

Dieses Fehlen einer harten Kante führt häufig dazu, dass sich der Geghostete lange in einer Art Schwebezustand befindet und nicht weiß, wo er hingehört. In Folge hat die Person dann auch größere Schwierigkeiten, sich auf einen neuen Partner einzulassen, da es ja offiziell mit dem alten nie vorbei war. Das müssen in der Situation dann eventuell auch Freunde oder Experten übernehmen, die sagen: „Wach auf, da ist nichts mehr.“

Auch ein Grund, warum der Geghostete sich zum Teil schlimmer fühlt als jemand, mit dem richtig Schluss gemacht wurde, ist, und das ist ein weiterer unangenehmer Nebeneffekt, dass er sich immer fragt, warum der Ghost nicht einmal den Mumm gehabt hat, ihm das direkt zu sagen. Das heißt, das Selbstbewusstsein kriegt noch eine weitere Delle.

Psychologische Untersuchungen zeigen, dass ein Ghost häufig egoistisch veranlagt ist und über bestimmte Persönlichkeitsmerkmale verfügt. Spielen umgekehrt eventuell auch bestimmte Merkmale bei den potentiellen Partnern solcher Egos eine Rolle und sind diese dann möglicherweise prädestiniert dafür, geghostet zu werden? Gibt es also so etwas wie den typischen Geghosteten?

Das ist sehr schwer zu sagen. Letztendlich kann Ghosting jedem passieren, aber meiner persönlichen Erfahrung nach ist es tatsächlich oftmals mit einer leichten Blindheit verbunden, vor allem in Bezug auf die Frage, an welchem Punkt sich die Beziehung gerade befindet. So passiert Ghosting dann auch häufig Personen, die etwas Frisches haben, das noch nicht ganz so stark war, eventuell auch ein Flirt, der sich womöglich auf einer Dating App ergeben hat. Da kommt es dann auch vor, dass der Ghost der Meinung ist, dass das Ganze eh keinen Sinn mehr hat und dann auch nicht mehr groß schreiben will und der Geghostete im Gegensatz dazu denkt, dass gerade eine frische Beziehung losgeht, dass er den anderen einfach noch nicht so gut kennt und der sich jetzt eben mal eine Weile nicht gemeldet hat.

Es ist also dieser Schuss Beziehungseinbildung, den ich persönlich tatsächlich schon öfter beobachten konnte. Im Gegensatz zu dem Verlassenden wähnt sich der Verlassene in einer glücklicheren, intimeren, vertrauteren und stärkeren Beziehung. Für den Ghost war es womöglich nur ein kleiner Flirt, ein unverbindliches Treffen oder ein One -Night-Stand und er sieht es gar nicht als problematisch an, dass er sich nicht mehr weiter gemeldet hat. Wohingegen der andere vielleicht sogar schon Freunden davon erzählt hat, dass er sich neu verliebt hat.

Es scheint mir, als ob auf Seiten des Geghosteten auch eine gewisse Neigung besteht, sich eher schillernde, strahlende und auch leicht narzisstische Typen auszusuchen, die als interessant und toll wahrgenommen werden, dann aber plötzlich wegbrechen und ghosten. Jemanden, der sich gut präsentieren kann, überschätzt man leicht. Ich erlebe außerdem, dass Personen, die einen bestimmten Charaktertyp favorisieren, den auch immer wieder favorisieren. Dass das dann jedes Mal in Ghosting resultiert, ist natürlich nicht gegeben, aber ich denke, eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht tatsächlich.

Wie oft versucht denn Ihrer Erfahrung nach ein Geghosteter noch den Ghost zu kontaktieren, bevor er es aufgibt?

Zaghaft! Meiner Erfahrung nach kontaktieren die Personen den Ghost eher zaghaft, haken eventuell zwar noch einmal nach, sind dann aber eher weich. Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen natürlich der Stolz und zum anderen auch die Angst vor Konfrontation und vor der Wahrheit. Auch wollen sie vielleicht spielvoll sein und sich interessanter machen und versuchen das zu erreichen, indem sie nicht nachhaken, nicht schreiben und somit nicht nerven. Tatsache ist, dass die Geghosteten sich selten konfrontativ verhalten. Meiner Erfahrung nach ist es nämlich so, dass Menschen, die resolut sind, auch eine Antwort erhalten.

Würden Sie also sagen, dass der Geghostete auch selber einen Einfluss auf seine Situation hat und eventuell auch eine Art Mitschuld trägt?

Der Geghostet hat in der Hinsicht Einfluss auf seine eigene Situation, dass er es mit sich machen lässt. Das ist aber wirklich sehr schwierig zu sagen, da er ja gerade der Schwächere in der Beziehung ist, also hinten steht, weswegen er sich jetzt auch nicht direkt traut, die Ellbogen auszupacken. Ich glaube wie gesagt allerdings, dass Menschen, die sehr resolut sind, dies eher weniger passiert, weil sie dementsprechend konfrontativ auftreten. Sie werden dann in Folge entweder vom Ghost blockiert, was man durchaus als Antwort verstehen kann, oder er sagt doch: „Ja sorry, aber wenn du es nochmal direkt und schriftlich brauchst, ja, es ist Schluss.“ Auch solche Sätze habe ich schon gelesen und in dem Moment fällt es ja dann auch aus der Schublade Ghosting raus, obwohl es das eigentlich gewesen wäre. Der Übergang ist also fließend, hätte der Betroffene nämlich nicht resolut nachgefragt, wäre es Ghosting geworden.